Dienstag, 31. Juli 2012

Vorsicht Künstler

Schon mal in einer Kulturhauptstadt gewohnt? Ich auch nicht. Ist aber ganz nett. Ziemlich nett sogar. Tagsüber kannst Du von Galerie zu Galerie stolpern, Abends Dich an die Drava setzen und Dir ein Konzert anhören. Kannst Menschen treffen wie Heiko Beck Kos. Der hat sein Atelier mitten in der Innenstadt, in einem alten Gewölbekeller. Wahr wohl mal das Restaurant Koper und zweihundert Jahre davor ein Flößerpuff. Jetzt sägt hier Heiko Buchstaben und hängt sie (natürlich in Sätzen) an die Brücken dieser Stadt.

Heiko drückt einem gleich ein Bier in die Hand - "klar, rauchen ist auch erlaubt" - und erzählt mir innerhalb von fünf Minuten seine Lebensgeschichte. Finde ich persönlich etwas befremdlich, vielleicht weil es zu sehr eingeübt daherkommt (wahrscheinlich Teil seines sales pitch). Der Typ ist trotzdem sympathisch und ich mag seine Arbeiten.

Heiko war also mal Eventmanager in Düsseldorf, erzählt er. Nur Geld im Kopf, jeden Tag im Maßanzug durch die Gegend stolziert. Knallhart seine Ziele abgehakt wie: mit 28 muss der Porsche 911 her. Heiko arbeitet immer mehr, verdient noch mehr Kohle.

Tja, was dann? Ganz klassisch: Burnout (wer hat den heute nicht?). Heiko beginnt eine Therapie und aus der wird schließlich Kunst. Sozusagen sein Wendepunkt. Passt ja auch toll zur Kulturhaupstadt Maribor, deren Motto das gleiche ist: "The Turning Point." Immer im Schatten der Hauptstadt Ljubljana, Untergang der ehemaligen Industrie, relativ hohe Arbeitslosigkeit. Die Ansprüche für das Kulturhauptstadtjahr waren groß; allerdings sind aus den 60 Millionen Budget ganz schnell 20 geworden. Das Programm ist dennoch voll, teilweise soso, teilweise aber auch sehr geil. Und wer davon nichts mitkriegt ist selbst schuld.















Hier im Bild übrigens eine Aktion vor seinem Atelier. Umsonst Haare schneiden lassen, im Austausch etwas Ehrliches erzählen. Dazu Bier trinken, rauchen. Tina lässt sich die Frisur von ihrem Ex-Freund (!) schön machen. Könnte auch gefährlich sein, das ganze. Aber von irgendjemandem habe ich noch den Spruch im Ohr: Kunst muss gefährlich sein!


Montag, 30. Juli 2012

Marillenknödelkoma

Zum Glück lesen auch die Leute vom Kulturhauptstadtbüro diesen Blog und haben sich gedacht: "wir können den Gareis doch nicht nach Österreich fahren lassen. Da sehen wir gar nicht gut aus." Also haben sich am Wochenende sogar zwei Mamas erbarmt und Marillenknödel gezaubert.

Hier steht Mama Isa am Herd und wendet die Knödel in einer Mischung aus Butter, Semmelbröseln, Zucker und Zimt. Den Knödelteig hat sie auch noch mit Topfen verfeinert. Alleine schon der Duft war himmlisch.

Tja, was soll ich sagen? Was kann ich anderes sagen, als: die Teile waren absolut fantastisch. Ist es nicht wunderbar, wenn Träume in Erfüllung gehen? Man muss sich nur die richtigen Dinge wünschen.























Und da ich nicht wusste, ob ich so eine Einladung noch mal bekomme, habe ich mir den Bauch dermaßen vollgeschlagen, dass mir danach - natürlich - schlecht war. Die Marillenknödel hatten überhaupt keine Chance gegen mich, sind regelrecht untergegangen im Angesicht meiner Angriffstaktik. 7:0 für Fredy.  Mission accomplished.


Hvala an Isa und Tinas Mama. Hvala lepa.

Freitag, 27. Juli 2012

Rätsel gelöst

So, das Mysterium der "Fieberbläschen" ist aufgeklärt. Gott sei Dank. Konnte kaum noch schlafen deswegen.

Im slowenischen Original stand auf der Speiskarte "ocvirki". Das sind wohl Grieben. Das Wort kann allerdings auch mit Herpes übersetzt werden. Lecker.

Ein  eiskaltes Laško geht, wie versprochen, an Amalija Macek. Na zdravje!

Donnerstag, 26. Juli 2012

WTF?

Was in Gottes Namen haben "Fieberbläschen" auf einer Speisekarte zu suchen? Ich habe ziemlich lange überlegt, was das denn sein könnte, bin aber auf keine Lösung gekommen. Die Kellnerin konnte auch nicht weiterhelfen.


 Wer also sachdienliche Hinweise zur Aufklärung dieses Rätsels hat, bekommt von mir ein eiskaltes Laško. Versprochen. 

Mittwoch, 25. Juli 2012

Marillenknödelodyssee

Mein absolutes Lieblings-Dessert - allerdings habe ich es noch nie probiert (Hört sich komisch an? Ist aber so). Mir immer nur vorgestellt, wie diese Mischung aus geschmolzener Aprikose, dem süßen Teigmantel drum herum, den knusprigen, buttrigen Streuseln, wohl schmecken muss. Es kann einfach nichts besseres geben. No way.

Und irgendwie war ich der Meinung, dass es hier in Maribor auf den Karten der Restaurants nur so von süßen Knödeln wimmeln würde, ja, dass sie vielleicht sogar eine eigene Rubrik haben.

Gleich am ersten Abend bin ich anstatt zum Essen auf die Suche nach Marillenknödeln. Maribor hat doch so viele traditionelle Restaurants, manche davon in alten Gewölbekellern, ich würde bestimmt nicht lange suchen sondern finden und bestellen und die Objekte meiner Träume verschlingen und dann gleich noch mal bestellen.

Die Marillen sind auch noch gerade in Saison. Lachen mich mit rosigen Bäckchen aus den Stiegen der Obststände an. 

Von Restaurant zu Restaurant, von Café zu Café werde ich ratloser und, muss ich zugegeben, auch ein wenig aggressiv. Ich finde Pfannkuchen mit Marillenmarmalade, Croissants gefüllt mit Marille, Marilleneis, Marillenkuchen, Marillenschnaps. Alles Gute da, was eine Marille so werden kann. Außer Marillenknödel! Es ist zum Heulen. Von den Kellnern bekomme ich nur ein müdes Schulterzucken, was mich wiederum dazu nötigt, eines der slowenischen Wörter einzusetzen, die ich gerade gelernt habe: prekleto - verdammt.

Nicht nur, dass die Kellner mit den Schultern zucken und sagen: "Bei uns gibt's nur Pfannkuchen." Nein, viel schlimmer noch. Sie alle behaupten, dass aber ihre Mütter wirklich ganz vorzügliche Marillenknödel machen, die besten weit und breit.

Bei weiterem Nachdenken erscheint mir das dann doch logisch. Marillenknödel sind so eine Speise, die einem die Mutter oder die Oma macht, die einen zurückholt an den Küchentisch der Kindheit.

Die nächsten Tage immer wieder das gleiche, immer wieder diese Mütter und ihre geheimen Kochkünste, zu denen ich keinen Zugang habe. Irgendwie fühle ich mich diskriminiert.

Während ich meine nächsten Schritte plane, ruft meine Freundin an. Sie ist in Österreich, sitzt an einem Küchentisch aus schwerem Holz und kann kaum reden, weil sie - genau - den Mund voller Marillenknödel hat. Bei der Mutter einer Freundin hat sie den Zugang gefunden, der mir so dringend fehlt. Prekleto!

Und dann, dann finde ich sie doch noch, meine Marillenknödel. Tiefgefroren in einer schmucklosen Packung. Im Lidl. Ausgerechnet im Lidl! Kaufen konnte ich sie allerdings nicht. Ich warte lieber, bis sich jemand erbarmt und mich nach Hause einlädt. Nicht, dass ich am Ende deswegen noch nach Österreich fahren muss.

Dienstag, 24. Juli 2012

Gewitterlohn


"Das Lachen ist der Regenbogen,
der dunklem Grund des Sturmes entsteigt"

                                       Anastasius Grün

Montag, 23. Juli 2012

Die Marburg


Ich falle aus meiner Tür und bin direkt im Stadtpark, ein Dach aus allen Farben Grün über mir. Dahinter fangen gleich die Weinberge an und ein Weg führt hinauf auf die Pyramide. Früher, und damit meine ich ganz früher, so etwa im 11. Jahrhundert, stand hier eine Festungsanlage, die das Flusstal und die Transportwege kontrollieren sollte. Die Anlage wurde Burg in der Mark genannt: Marburg.

Den ganzen Tag laufen die Mariborer diesen kleinen Hügel hinauf und läuten an der Glocke, die an der kleinen Kapelle hängt. Wenn die Sonne untergeht, in die dunklen Täler im Norden leuchtet, ihren Schimmer über die Stadt legt, dann aber füllen küssende Pärchen den kleinen Platz, setzen sich auf die Stufen der Kapelle, die der heiligen Jungfrau Maria gewidmet ist, und halten Händchen:

Im Jahr des Herrn eintausend achthundert zwanzig ein
Zerstört die Pyramide des Blitzes heller Schein.
Herr Heinrich Graf zu Brandi, Johana Welsersheim
Die haben dann errichtet ein Kirchlein aus dem Stein.
Und haben es gewidmet in gläubig frommen Sinn
Der unbefleckt Empfangenen, der Himmelskönigin.

Im Jahr des Herrn eintausend neunhundert neun es war
Der Dachstuhl droht zu stürzen, das Kirchlein litt Gefahr
Reichsfreiherr Pius Twichlu, sein eh‘lich Gemahl
Mechthildis Freiin Bernhard die haben dazumal
Das Kirchlein renoviert, das neue Dach erbaut
Die Glocke ihm gegeben - nun sei‘s dem Herrn vertraut

O Königin des Himmels so halte deine Hand
Stets über unsre Kinder und über Stadt und Land.

Sonntag, 22. Juli 2012

Kaiserliche Cevapcici


Ganz leichte Kost: gefüllt mit Käse und Speck. Und das ist die kleine Portion. Eine lokale Gleichung geht so: halbes Jahr Aufenthalt in Maribor, vier Kilo extra auf den Rippen.

Samstag, 21. Juli 2012

Küssen erlaubt


Im Stadtpark.

Freitag, 20. Juli 2012

Try again, fail better


Was mache ich auf einmal mit der ganzen Zeit, die mir hier zur Verfügung (zum Vergnügen?) steht? Muss nicht mehr jede Wendung des Nahost-Konflikts verfolgen, muss nicht ständig Mails lesen, um dringende Redaktionsanfragen zu bearbeiten. Kann also offline gehen und mein Gehirn defragmentieren. Kann wieder an meinem Buch arbeiten, das jetzt in die dritte Fassung geht und eines meiner Projekte für meinen Aufenthalt in Maribor ist. Habe es die ganze Zeit in Israel liegen lassen, es fast schon vergessen, es vielleicht auch vergessen wollen.

Schreiben ist ein einsames Geschäft voller Zweifel. Auch nach der zweiten Fassung ist es einfacher, das Teil einfach in die Ecke zu schmeißen und etwas anderes anzufangen. Alles ist einfacher, als in diesem Textsteinbruch zu arbeiten, um jedes Wort und jeden Satz zu schwitzen. Von der Handlung und den Charakteren will ich gar nicht erst sprechen. „Das wird nie was“, schallt es mir immer wieder durch den Kopf, aber dann stehe ich im Buchladen, sehe die Berge an Gedrucktem und denke: Come on man, das kriegen noch ganz andere hin.

Jetzt bin ich schon wieder ein paar Tage um das Buch herum getanzt, habe mich nicht getraut es in die Hand zu nehmen, aufzuschlagen und zu lesen, was ich da fabriziert habe. Eigentlich kann ich doch nur scheitern, denke ich. Aber vielleicht scheitere ich irgendwann auf einem Niveau, das gar nicht so schlecht ist. Es gibt da einen schönen Spruch von Samuel Beckett, Trost in dunklen Stunden, wenn es wieder mal nicht so wird, wie ich mir das vorstelle: 
"Ever tried, ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better."

Donnerstag, 19. Juli 2012

Marleybor


Marleybor? Auch nicht schlecht. Fehlte mir noch in meiner Sammlung.

Die Stadt ist gerade etwas ausgestorben, die Slowenen im Urlaub, viele haben ein Häuschen an der kroatischen Küste. Die eigene Küste ist gerade mal 47 Kilometer lang, aber das Meer dort, sagen die Marleyborer mir, sei einfach nicht so schön, das Wasser nicht so klar.

Ich finde langsam meinen Rhythmus. Erkunde nebenbei die Stadt. Steige auf den Kirchturm und blicke auf die roten Dächer, auf die gedrängten Häuser. Friedlich liegt es da, dieses Marleybor. Die Gassen sind geputzt, die Häuser saniert. Ein bisschen k.u.k. weht durch die Stadt. Gelegentlich höre ich ein Klingeln und erwarte eine Postkutsche, die an mir vorbei über den Pflasterstein rattert.
 
Bei aller Idylle, die Stadt hat ihre Wunden. Genauso wie das Land. Aber das ist Stoff für zukünftige Einträge. Jetzt lockt die Sonne, die in der Drava glitzert. Die Luft ist weich - es ist Sommer in Marleybor.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Amtseinführung


Vorstellung des Stadtschreibers in Maribor bei kochenden 33 Grad. Ich habe zwar keine Ahnung, was ich erzählen soll, aber ich bin gut drauf. Maribor leuchtet in der Sonne, die Wälder zittern dunkelgrün und der Weißwein schmeckt überraschend gut.

Mit mir auf dem Podium: Winfried Smaczny (Vorstandsvorsitzender Deutsches Kulturforum östliches Europa), Natasa Kos (Programmbüro der Kulturhauptstadt) und Hendrik Kloninger (Leiter Goethe-Institut Ljubljana).

„Was macht eigentlich ein Stadtschreiber?“, fragt Hendrik Kloninger. Darauf habe ich ja nur gewartet. Jetzt kann ich endlich die Vorstellungen meiner Freunde loswerden, die mich durch die Straßen der Altstadt laufen sehen, am besten in buntem Kostüm, aber auf jeden Fall mit Federhut auf dem Kopf und Pergamentrolle in der Hand. Wie ich in der Postgasse Geschichten der Menschen aufzeichne und sie dann auf dem Marktplatz rausposaune: „Ihr Bürger Maribors, hört, hört!“

Ich glaube, meine Freunde nehmen mich nicht ernst. Aber es macht Spaß die Tätigkeit eines Stadtschreibers so zu fassen, schön mittelalterlich. Wir witzeln auf dem Podium darüber und ich versuche einen guten Eindruck zu machen, aber die zwei Damen (richtig gelesen: vier auf dem Podium, zwei im Publikum - klassische Überzahlsituation) in den ansonsten leeren Stuhlreihen schauen mich an, als hätte ich eben gesagt, dass Ljubljana viel schöner als Maribor sei und aufregender noch dazu.

Aber immerhin, ich bin in das Amt (mein erstes!) eingeführt worden. Jetzt muss/darf/werde ich es füllen. Hört, hört.

Dienstag, 17. Juli 2012

Zdravo Maribor


"Bitte wohin gehst Du?", fragt mich mein Freund Dennis, als ich von meiner neuen Stelle als Stadtschreiber erzähle.
Nach Maribor.
"Nach Marabou?"
Nein, Mann. Marabou ist eine Schokoladenmarke und keine Stadt!
"Ach ja, stimmt."

So geht das die ganze Zeit. Muss immer wieder erklären, wo dieses Maribor eigentlich liegt und dass die zweitgrößte Stadt Sloweniens nicht etwa Marlborough heißt, auch nicht Mutabor und schon gar nicht Malibu.

Vor zwei Tagen bin ich hier gelandet. Aus der ewigen Konfliktzone Nahost ins ruhige Slowenien. Jetzt schaue ich aus meinem Fenster direkt auf den Stadtpark in Maribor und habe das Gefühl, dass ich in diesem rechteckigen Ausschnitt mehr Grün sehe, als in zwei Jahren Israel. Morgens wecken mich nun die Kirchturmglocken des Franziskanerklosters.

120 000 Menschen sollen hier leben, aber es fühlt sich gerade mal nach der Hälfte an. Im Norden, direkt hinter dem Stadtpark, beginnen die Weinberge; auf jedem Hügel thront eine kleine Kirche. An der rotdachigen Altstadt fließt gemächlich die Drava vorbei, breit und dunkelgrün bis braun. Im Süden das Pohorjegebirge. Eigentlich Wald und Wiesen und Wasser wohin ich schaue. Hauptstadtzungen aus Ljubljana nennen diese Idylle bisweilen Mariboring.

Ts, ts, ts. We shall see. Fünf Monate werde ich hier sein, eine kleine Abkehr vom ansonsten so hektischen Journalistenalltag: Zeit für persönliche Projekte. Zeit, die Stadt, das Land und vor allem die Leute kennen zu lernen, ohne immer im Hinterkopf haben zu müssen, ob sich diese Geschichten verkaufen ließen. Kultur statt Konflikt. Kurz gesagt: Luxus.

Zdravo Maribor. Me veseli.